Buy and hold forever! Das ist zumindest das Versprechen, das viele Anleger ihren Aktien-Investments geben. Disruptive Technologien und Entwicklungen stellen dieses Langzeitversprechen jedoch in immer mehr Branchen auf den Prüfstand. Mit der Frage, welche Bedeutung Disruption und Innovationszyklen für uns als Anleger haben, beschäftigt sich der folgende Artikel.
Bullshit-Bingo at its best
Ja, ja … digitale Transformation und disruptive Technologien. Bullshit-Bingo at its best! Tatsächlich gibt es aktuell nur wenige Buzz-Wörter, die häufiger in den Raum geworfen werden, wenn es um die Zukunft geht. Aber klar ist auch: Neue Technologien haben mittlerweile nahezu jeden Lebensbereich von uns verändert – und Unternehmen sind die Treiber dieser Transformation. Um nur einige Beispiele zu nennen:
- Amazon (WKN: 906866) hat verändert, wie wir einkaufen.
- Facebook (WKN: A1JWVX) hat verändert, wie wir miteinander kommunizieren.
- Booking (WKN: A2JEXP) hat verändert, wie wir unseren Urlaub buchen.
- PayPal (WKN: A14R7U) hat verändert, wie wir bezahlen und Geld transferieren.
Was haben diese Unternehmen gemeinsam? Ganz einfach: Sie haben disruptive Technologien genutzt, um komplett neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Disruptive Technologien: Eine Definition
Was genau verstehen wir aber unter Disruption und disruptiven Technologien? Die Wikipedia definiert diese als „Innovationen, die die Erfolgsserie einer bereits bestehenden Technologie, eines bestehenden Produkts oder einer bestehenden Dienstleistung ersetzen oder diese vollständig vom Markt verdrängen und die Investitionen der bisher beherrschenden Marktteilnehmer obsolet machen.“
Diese Definition orientiert sich an der Theorie, die der US-Wirtschaftswissenschaftler Clayton M. Christensen (1952-2020) in seinem Buch „The Innovator´s Dilemma“ aufstellte. Sie bringt vor allem aber auch ein zentrales Merkmal auf den Punkt: Disruptive Technologien und Entwicklungen können etablierte Geschäftsmodelle komplett ablösen und zerstören. Und genau dieser Punkt macht das Thema für uns als Anleger natürlich hoch relevant.
Blockbuster - Ein Opfer der Disruption?
Kennt ihr Blockbuster? Nein, ich meine nicht erfolgreiche Filme an den Kinokassen, sondern das Unternehmen aus den USA, das im Video-Retail-Business unterwegs war. Blockbuster wurde Mitte der 1980er in Dallas/Texas gegründet und eröffnete dort auch 1985 seine erste Videothek. Und dieser Laden war genauso, wie man solche Geschäfte noch in Erinnerung hat: Eng, unübersichtlich, ein wenig schmuddelig und bis zum Rand zugestellt mit Regalen voller Videofilme.

Blockbuster auf dem Höhepunkt
Rund 8.000 Filme hatte Blockbuster im Angebot — und damit deutlich mehr als die meisten Konkurrenten. Mit seinem führenden Angebot und einer aggressiven Expansionsstrategie wurde Blockbuster innerhalb kürzester Zeit zur Nummer 1 im Video-Retail-Business. Schon drei Jahre nach der Gründung eröffnete Blockbuster seinen 800. Store in den USA. 2004 waren es weltweit mehr als 9.000 Stores und Blockbuster erzielte einen Umsatz von rund $ 6 Mrd.
Der Untergang von Blockbuster
Blockbuster war damals auf seinem Höhepunkt — und doch war der Untergang des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt schon längst besiegelt. Denn wenige Jahre zuvor, im Jahr 1997, hatten Reed Hastings und Marc Randolph ein neues Geschäftsmodell entwickelt: Sie verlagerten den Filmverleih einfach ins Internet. Ihr ahnt wahrscheinlich schon, von welchem Unternehmen hier die Rede ist: Natürlich von Netflix (WKN: 552484).

Ein Fun fact übrigens am Rande: Reed Hastings betont immer wieder gerne, dass er Netflix vor allem auch aufgrund einer von Blockbuster erhobenen Gebühr von $ 40,- für einen zu spät zurückgebrachten Film gegründet hatte. Aber mit diese Unzufriedenheit war er nicht allein: Im Jahr 2000 verdiente Blockbuster tatsächlich mehr als 15% seiner Umsätze mit Versäumnisgebühren. Auch aufgrund der daraus entstandenen Unzufriedenheit empfingen die Kunden den neuen Online-Konkurrenten Netflix mit offenen Armen.
On-Demand-Streaming als eigentliche Disruption
So allmählich erkannte man auch bei Blockbuster die Gefahr durch die neue Online-Konkurrenz. Und doch brauchte der Platzhirsch im Video-Retail-Business bis zum Jahr 2004, um einen eigenen Online-Service zu entwickeln. Damit kamen sie viel zu spät. Zu diesem Zeitpunkt hatte Netflix bereits Algorithmen eingeführt, die an Kunden angepasste Filmvorschläge machten. Und zu diesem Zeitpunkt arbeitete Netflix schon längst an der eigentlich disruptiven Technologie, dem On-Demand-Streaming.

2007 führte Netflix seinen Streaming-Dienst ein und beendete damit auf einen Schlag das Geschäftsmodell des stationären Videoverleihs. Der Rest ist Geschichte: Netflix zählt heute zu den weltweit erfolgreichsten Unternehmen und bringt es auf eine Marktkapitalisierung von über $ 200 Mrd. Blockbuster hingegen meldete 2010 Insolvenz an. Heute gibt es in den USA noch einen einzelnen Blockbuster Store — und dieser wird über airbnb für wenige Dollar die Nacht vermietet.
Weitere Infos zum Auf- und Abstieg von Blockbuster findet ihr übrigens hier.

Vom Umgang mit disruptiven Technologien
Was lernen wir aus dem Untergang von Blockbuster über Disruption? Ganz einfach: Disruptive Technologien zerstören bestehende Geschäftsmodelle in der Regel nicht über Nacht. Sie entwickeln sich innerhalb von Innovationszyklen und werden kontinuierlich weiterentwickelt, bis sie ein etabliertes Produkt bzw. einen etablierten Service vollständig ersetzen. Diese Innovationszyklen, die infolge der Digitalisierung immer kürzer ausfallen, werden beispielsweise im Innovation-S-Curve-Modell beschrieben.

Es geht um den Umgang mit Disruption
Ist Blockbuster nun ein Opfer von Disruption? Nicht wirklich! Entscheidend ist vielmehr, wie ein Unternehmen innerhalb der Innovationszyklen agiert. Unternehmen scheitern an Disruption, wenn sie träge und zukunftsblind werden. Genau dafür steht Blockbuster. So hatte Blockbuster um die Jahrtausendwende die Möglichkeit, Netflix für einen heute lächerlichen Preis von $ 50 Mio. zu übernehmen. Aber das Unternehmen war einzig auf den Ausbau des bestehenden Geschäftsmodells konzentriert und erkannte nicht das Potential der neuen Technologien.
Disruption als Chance zum Wandel
Gleichzeitig gibt es zahlreiche Beispiele für Unternehmen, die disruptive Veränderungen nutzen, um sich neu aufzustellen — auch wenn dies natürlich nicht immer freiwillig geschieht.


Beispielhaft dafür steht IBM (WKN 851399). Das Unternehmen stand Anfang der 90er kurz vor dem Aus, weil es die Entwicklung von Großrechnern zur Heimcomputern komplett verschlafen hatte. IBM entging dem Untergang, weil es neue Geschäftsmodelle erschloss – unter anderem als Serviceprovider.
Wie Disruption als Chance zum Wandel begriffen werden kann, verdeutlicht auch der japanische Konzern Fujifilm (WKN: 854607). Das Unternehmen war neben Kodak einer der weltweit führenden Produzenten von Filmen für analoge Kameras. Mit dem Aufstieg der digitalen Fotografie fiel dieses Geschäftsfeld komplett weg. Während Kodak unterging, orientierte sich Fujifilm komplett neu. Heute operiert Fujifilm als Holding in zahlreichen Segmenten: Neben der Fotografie sind dies beispielsweise Medizintechnik, Speichermedien oder Röntgentechnologie.
Was bedeutet das nun für uns als Anleger?
Was können wir nun als Anleger mitnehmen? Und worauf gilt es bei unseren eigenen Aktien-Investments zu achten?
1. Buy and Hold alleine war noch nie ein sinnvolles Model
Wer in Unternehmen investiert, sollte zumindest in regelmäßigen Abständen checken, wie weit diese Unternehmen für die Zukunft aufgestellt sind. Und das geht weit über aktuelle fundamentale Daten hinaus. Wenn wir nicht von der Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens überzeugt sind, sollten wir unsere Investments rausnehmen.
Nehmen wir zum Beispiel die Ölindustrie: Im Finanz Cowboy Depot befindet sich unter anderem auch eine kleine Position des französischen Ölkonzerns Total (WKN: 850727). Bin ich in Total investiert, weil ich glaube, dass Öl eine goldene Zukunft hat? Nein! Sobald neue Technologien im Energiesektor eine einfache Massenadaption erlauben, wird Öl seine aktuelle Relevanz verlieren. Ich habe Total jedoch in meinem Depot, da ich dem Unternehmen zutraue, dass es diesen Wandel aktiv mitgestalten wird.
2. Disrupt or get disrupted
Gerade Unternehmen, die ein einseitiges Geschäftsmodell haben und nicht aktiv versuchen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, sind besonders gefährdet, disruptiven Veränderungen zum Opfer zu fallen. Disrupt or get disrupted – so das Motto des Silicon Valley. Das Beispiel von Blockbuster zeigt, wie gefährlich es ist, sich ausschließlich auf das bestehende Geschäftsmodell zu konzentrieren – selbst wenn dieses für den Moment erfolgreich ist.
3. Märkte unterscheiden sich
Natürlich funktionieren Märkte in Hinblick auf disruptive Veränderungsprozesse unterschiedlich: Märkte, wie zum Beispiel der Tech-Sektor oder Biotech und Pharma zeichnen sich durch erheblich kürzere Innovationszyklen aus, als beispielsweise die Lebensmittelindustrie. Oder anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, dass Coca Cola (WKN: 850663) in 50 Jahren noch erfolgreich existiert, ist natürlich höher als beispielsweise bei BioNTech (WKN: A2PSR2).
4. Disruption ist eine Chance
Last but not least: Disruption ist eine Chance für uns als Anleger. Die heute erfolgreichen Unternehmen haben den Grundstein für ihren heutigen Erfolg bereits vor Jahren gelegt. Eine neue Welle von disruptiven Technologien rollt längst an. Und genau in diesen Bereichen besteht für uns als Anleger die Chance, die nächste Amazon oder Netflix zu identifizieren und so vom Wandel langfristig zu profitieren. Eine einfachere Möglichkeit, um breiter in Zukunftstrends zu investieren, bieten beispielsweise auch entsprechende ETFs.

Wie steht ihr Unternehmen gegenüber, deren Geschäftsmodelle auf disruptiven Technologien basieren? Sucht ihr Sie bewusst für euer Portfolio aus? Oder konzentriert ihr euch eher auf Werte mit vergleichsweise langsamen Innovationszyklen? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!
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